Ein Fest des Abschieds, der Ahnenverbundenheit und des Neubeginns
Mit dem Beginn des Novembers steht das keltische Jahreskreisfest Samhain bevor, ein Fest des Rückzugs. Als letztes der drei großen Erntefeste markiert Samhain den Übergang von der hellen zur dunklen Jahreszeit und lädt dazu ein, innezuhalten, sich zu besinnen und das Vergangene loszulassen. Diese Zeit ist geprägt von Einkehr und Ahnenverbundenheit, denn der Schleier zwischen der Welt der Lebenden und der Toten gilt in dieser Nacht als besonders durchlässig. Wir befinden uns in einer Phase, in der die Natur sich zurückzieht, die Tage kürzer werden und wir eingeladen sind, innezuhalten, unsere Verbindungen zur Vergangenheit zu reflektieren, das Vergangene loszulassen, Platz für Neues zu schaffen und uns auf einen neuen Abschnitt vorzubereiten.
Samhain – Das keltische Toten- und Neujahrsfest
Traditionell wird Samhain in der Nacht vom 31. Oktober auf den 1. November gefeiert, dem 11. Neumond nach der Wintersonnenwende. Die Kelten glaubten, dass in dieser besonderen Nacht die Grenze zur Anderswelt – der Totenwelt – am dünnsten sei. Der Begriff „Samhain“ bedeutet „Vereinigung“ und symbolisiert die Verbindung von Lebenden und Toten. Für die Kelten war dies die Zeit des Abschieds und der Erneuerung, und so schließt das Fest das alte Jahr und leitet das neue ein. Während die Blätter fallen und die Natur sich auf die winterliche Stille vorbereitet, wird die Dunkelheit zum Symbol für den Neubeginn.
Die Zeit der Ahnen: Gedenken und Verbindung zur Vergangenheit
Samhain bietet einen Moment, um den Ahnen und verstorbenen Lieben zu gedenken. In vielen Kulturen finden sich ähnliche Traditionen: In Mexiko ist es der „Día de los Muertos“, in der christlichen Tradition Allerheiligen und Allerseelen. Während Samhain erinnern wir uns an jene, die vor uns kamen und deren Weisheit und Erfahrungen uns heute begleiten. Die Ahnenverbindung wird dabei als besonders stark empfunden, und Rituale zum Gedenken bieten einen heiligen Raum für Erinnerung und Achtsamkeit.
Symbole und Bräuche: Feuer, Gaben und das Tor zur Anderswelt
Samhain markiert den Übergang vom bunten Herbst zur Dunkelheit des Winters. In der Natur sehen wir diesen Wandel an den fallenden Blättern, dem stillen Rückzug der Tiere und Pflanzen, die sich auf die kalte Jahreszeit vorbereiten. Gleichzeitig gibt uns diese Zeit die Möglichkeit, selbst loszulassen – sei es alte Gewohnheiten, Erinnerungen oder ungeklärte Beziehungen. Samhain lädt uns ein, uns von dem zu trennen, was uns nicht mehr dient, und uns innerlich auf Neues vorzubereiten.
Ein wichtiges Ritual zu Samhain war das Entzünden großer Feuer, insbesondere beim „Fest von Tara“ und auf dem Hügel Tlachtga. Diese Feuer sollten die Dunkelheit vertreiben, Schutz spenden und böse Geister fernhalten.
Interessant ist, dass Samhain auch als keltisches Neujahr betrachtet wird, das in vielen irischen Traditionen das neue Jahresrad einläutet. Neben Samhain gibt es im keltischen Kalender drei weitere große Jahreskreisfeste: Imbolc, Beltane und Lughnasadh. Jede dieser Zeiten ist geprägt von einem besonderen Zauber und ermöglicht es, in enger Verbindung mit der spirituellen Welt zu stehen. Die Kraft dieser Feste wird oft genutzt, um in sich zu gehen, zu orakeln und die eigenen Träume und Visionen zu erforschen.
Auch die Gaben für die Toten waren ein wesentlicher Brauch. Speisen und Getränke wurden auf die Gräber gelegt, um die Geister gnädig zu stimmen. Bis ins 19. Jahrhundert stellte man in Irland sogar Essen und Trinken vor die Haustür, um den Ahnen ihren Teil am Leben der Lebenden zu gewähren. Diese Tradition setzt sich bis heute fort: Kinder gehen an Halloween von Tür zu Tür und fordern „Süßes oder Saures“, was symbolisch an die alten Gabenopfer erinnert.
Das große „Fest von Tara“ und die Samhain-Feuer
Ein besonders wichtiger Samhain-Brauch, der bis auf das Jahr 700 vor Christus zurückgeht, war das große „Fest von Tara“. Auf dem Hügel von Tara, einem zentralen und spirituellen Ort Irlands, versammelten sich die Kelten, um ein großes Feuer zu entzünden. Dieses Feuer sollte die Dunkelheit verbannen, den kalten Winter abwehren und böse Geister fernhalten. Ein weiteres großes Feuer wurde auf dem Hügel Tlachtga (Hill of Ward) entzündet, etwa zwölf Meilen von Tara entfernt.
Menschen und Tiere schritten durch die Flammen, ein Ritual der Reinigung und des Schutzes vor den kommenden Wintermonaten. Die Glut dieses Samhain-Feuers nahmen die Menschen mit nach Hause, um ihre eigenen Herdfeuer neu zu entzünden – ein Symbol für das Licht und die Wärme, die durch die dunklen Monate hindurchhalten sollten.
Die Verbindung zwischen Diesseits und Jenseits
Man sagt, dass an Samhain die Grenze zwischen dieser Welt und dem Jenseits besonders durchlässig ist. Dies ist eine Zeit, um sich mit der spirituellen Ebene zu verbinden, zu orakeln und sich von den Träumen und Zeichen leiten zu lassen. Viele nutzen die nachfolgenden Tage, um sich zurückzuziehen und die kommenden Rauhnächte vorzubereiten, eine Zeit des Übergangs und der Transformation, in der ebenfalls eine besondere Magie in der Luft liegt.
Diese magische Zeit lädt uns ein, still zu werden, die eigenen Gedanken zu ordnen und Pläne für das kommende Jahr zu schmieden. Samhain erinnert uns daran, dass Loslassen und Neubeginn untrennbar miteinander verbunden sind – wie der endlose Zyklus der Natur selbst.
Nutze Samhain, um innezuhalten, zu reflektieren und in Verbindung zu treten – mit den Ahnen, mit dem, was du loslassen möchtest, und mit dem, was du neu ins Leben einladen möchtest.
Halloween und Samhain: Ein gemeinsamer Ursprung
Heute feiern viele das moderne Halloween, das sich vom Samhain-Fest ableitet. Auch im Namen Halloween, abgeleitet von „All Hallows’ Eve“ – der Vorabend von Allerheiligen – schwingt die Verbindung zum Gedenken an die Verstorbenen mit.
Die Ursprünge der Verkleidung und des Halloween-Kults
Der Brauch des Verkleidens an Samhain entstand vermutlich aus der Angst vor den Geistern und Wesen, die in dieser Nacht aus der Anderswelt kommen könnten. Die Menschen kleideten sich in abstoßende und abschreckende Masken und Kostüme – eine Tradition, die heute in Halloween-Kostümen weiterlebt, um die Geister zu vertreiben und sich selbst zu schützen. In der Vorstellung der Kelten würden die Geister, die diese Verkleidungen sahen, die Maskierten nicht erkennen und sie so in Ruhe lassen. Dieser Brauch, sich zu verstecken und Geister abzuschrecken, hat sich über die Jahrhunderte hinweg erhalten und lebt in der Halloween-Tradition des Kostümierens weiter.
Halloween: Die heutige Verbindung zu Samhain
Obwohl Samhain und Halloween heute verschiedene Feste sind, trägt Halloween viele Bräuche und Symbole aus dem keltischen Samhain in sich. Die großen Feuer, die Gaben für die Toten und die Maskierungen stammen alle von den alten Traditionen des Samhain. Halloween ist somit eine moderne Variante des keltischen Festes, das den Geist von Samhain – die Verehrung und das Gedenken an die Verstorbenen und die Ahnen – bis heute lebendig hält.
Von Samhain zu Halloween: Die Geschichte einer Wandlung
Zwischen dem 7. und 9. Jahrhundert n. Chr. begann die christliche Kirche, das heidnische Fest Samhain in ihre Glaubenswelt zu integrieren. Um die alten Bräuche der Bevölkerung nicht radikal abzuschaffen, sondern behutsam in die christliche Tradition zu überführen, schuf die Kirche Allerheiligen als Fest zur Ehrung aller Märtyrer, Heiligen und Verstorbenen. Die Elemente von Samhain, insbesondere das Gedenken an die Toten, blieben bestehen, wurden jedoch in einen christlichen Kontext gestellt. Aus „Samhain“ wurde so „All Hallows Eve“ – die Nacht vor Allerheiligen – und schließlich „Halloween“.
Der Einfluss des irischen Brauchtums und die Legende von Jack O’Lantern
Irland, das stark mit Samhain verwurzelt war, prägte auch das neue Fest Allerheiligen auf seine eigene Weise. Statt nur der verstorbenen Heiligen wurde die Legende des „Jack O’Lantern“ Teil der Feierlichkeiten: Jack, ein irischer Taugenichts und Trunkenbold, hatte den Teufel überlistet und wurde so weder in den Himmel noch in die Hölle aufgenommen. Stattdessen wanderte er mit einer ausgehöhlten Rübe als Laterne ewig zwischen den Welten. Diese Erzählung wurde äußerst populär und wurde zu einem festen Bestandteil des Festes. Als irische Auswanderer das Fest nach Amerika brachten, ersetzten sie die Rübe aufgrund mangelnder Verfügbarkeit durch einen Kürbis – und so entstand die heute typische Halloween-Kürbislaterne.
Halloween: Ein Mix aus Heidentum, Christentum und irischem Humor
Heute ist Halloween eine lebendige Mischung aus den heidnischen Ursprüngen des Samhain, christlichen Traditionen von Allerheiligen und volkstümlichem irischen Humor. Der Kürbis ist zum Symbol des Festes geworden, das mittlerweile weltweit gefeiert wird – oft ohne tiefere Kenntnis der historischen Ursprünge, aber mit einem bunten Mix an Bräuchen und Dekorationen.
Die Begegnung mit den Vorfahren und die Öffnung der Grabhügel
Nach dem keltischen Glauben öffneten sich zur Samhain-Nacht die Grabhügel, die als Wohnstätten der „Feen“ und Seelen der Verstorbenen galten. Diese Feen waren in der keltischen Vorstellung die Geister der Ahnen und Repräsentanten der Vorzeit, die tief in der Erde, in den uralten Hügeln und Gräbern, lebten. Es war eine Nacht der Begegnung und Verbindung, in der man sich den Vorfahren nahe fühlte und ihnen Respekt zollte. Die Kelten glaubten, dass in dieser Zeit die Seelen der Toten auf die Erde zurückkehren konnten, um sich mit den Lebenden zu vereinen und ihnen vielleicht Ratschläge, Schutz oder Führung zu bieten.
Verehrung der Unterwelt und Besänftigung der Anderswelt
Die Kelten verehrten besonders die Götter und Geister der Unterwelt, die als Hüter der Fruchtbarkeit und des Lebens betrachtet wurden. Besonders dem Totengott Cromm Cruach wurden an Samhain Opfer dargebracht. In der keltischen Überzeugung waren die Mächte der Unterwelt diejenigen, die das Land fruchtbar machten und den Kreislauf des Lebens sicherstellten. Deshalb ehrten sie diese Mächte zu Samhain mit wertvollen Opfern: Neben Erntegaben und Tieren wurde auch das erste Menschenleben, häufig in Form des Erstgeborenen, geopfert, um die Fruchtbarkeit des Landes für das kommende Jahr sicherzustellen.
Verbindung zu anderen Kulturen: Die Ehrung der Toten
Auch andere alte Kulturen, wie die Römer und Griechen, feierten Feste, die den Toten geweiht waren und bei denen man die Geister der Verstorbenen besänftigte oder um ihre Gunst bat. Diese Rituale waren ähnlich wie das keltische Samhain-Fest darauf ausgerichtet, die Beziehung zwischen den Lebenden und der Totenwelt harmonisch zu gestalten und den Verstorbenen den ihnen zustehenden Anteil am Leben zuzugestehen. Bei all diesen Kulturen wurde den Geistern der Toten zu bestimmten Zeiten Ehrerbietung gezeigt, um ihre Kraft für die Lebenden nutzbar zu machen oder ihren Schutz zu erbitten.
Opfergaben für die Verstorbenen
Ein weiterer Brauch war es, den Verstorbenen kleine Gaben auf die Gräber zu legen, um sie gnädig zu stimmen. Diese Gaben, meist in Form von Speisen und Getränken, sollten die Geister der Toten besänftigen und ihnen ihren Anteil am Leben der Lebenden gewähren. Diese Tradition hielt sich auch nach der Christianisierung, als Samhain allmählich zu Allerheiligen (und in Teilen zu Halloween) wurde. Bis ins 19. Jahrhundert stellte man in Irland oft noch Essen und Trinken vor die Haustür, damit die Ahnen und Geister ihre Gaben erhalten. Heute erinnern uns Traditionen wie das Backen von Seelenkuchen und Allerseelenbrötchen an diese alten Bräuche, und die Kinder, die an Halloween von Tür zu Tür gehen und „Süßes oder Saures“ fordern, führen diesen Geist der Gaben fort.
Rituale und Traditionen für ein besinnliches Samhain
Ein Samhain-Ritual kann sehr persönlich sein und erfordert keine aufwendigen Vorbereitungen. Einige Möglichkeiten sind:
- Eine Kerze für die Ahnen anzünden: Dies kann ein einfaches, aber tiefsinniges Ritual sein, um verstorbenen Lieben zu gedenken.
- Ein gedeckter Tisch für die Verstorbenen: Auch bekannt als das „Dumb Supper“ (einem stillen Gedenken am gedeckten Tisch), wird hierbei ein Platz am Tisch für die Ahnen freigehalten.
- Orakeln und Träumen: Samhain bietet sich an, um nach innen zu blicken, Visionen und Träume festzuhalten und Pläne für das kommende Jahr zu schmieden.
Die Bedeutung von Samhain heute
Obwohl die ursprünglichen keltischen Opferbräuche weitgehend der Vergangenheit angehören, bleibt Samhain ein tiefes Fest, das heute spirituell Suchenden als Gelegenheit dient, sich mit der eigenen Ahnenlinie und der Natur zu verbinden. Es lädt dazu ein, den Kreislauf des Lebens zu ehren und die Kraft des Loslassens und des Neubeginns zu verstehen.
Samhain geht über einen bloßen Jahreszeitenwechsel hinaus: Es stellt die Verbindung zu den Ahnen und zur Anderswelt in den Mittelpunkt und erinnert an den Kreislauf von Leben und Tod. Gerade in dieser dunklen Zeit des Jahres wird Raum geschaffen, um sich der eigenen Geschichte zu besinnen und den Weg für das kommende Jahr zu gestalten.
Die Natur zeigt uns dabei, wie im Loslassen Platz für Neues entsteht. Für viele bedeutet Samhain eine Phase der Rückbesinnung und Transformation – eine Gelegenheit, innerlich zur Ruhe zu kommen und die eigene Beziehung zu den Ahnen zu würdigen. Diese Zeit führt uns den untrennbaren Kreislauf von Abschied und Wiedergeburt vor Augen, ein Symbol dafür, dass in jedem Ende der Keim eines Neuanfangs liegt.
Die Schleier der Anderswelt lüften
Liebe Barabara! Ich bin gerade von meinem Weg – 3 Friedhöfe- zurückgekommen und habe mit Freuden Deine exzellenten Ausführungen, Anregungen und Erläuterungen über SAMHAIN gelesen. Besinnlich und wunderbar und Deinen einfühlsamen Worten „ Schleier lüften“ zugehört , ich bin ganz versunken und hatte diese Stimmung bei jedem Grab meiner Ahnen und Freunde. Ich habe überhaupt durch Deine ausgezeichneten Anleitungen ein viel bewussteres und aufmerksameres Lebensgefühl bekommen und bedanke mich herzlichst bei Dir. Mit Deiner Hilfe werde ich mein Lebensrad besser weiterdrehen. Lieben Dank